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PSYCHE UND KÖRPER

Zwangsstörungen: Mythen und Fakten

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Zwangsstörungen Titelbild
Was wir über Zwänge wissen, warum sie so unüberwindbar scheinen und wie du gegen sie angehen kannst

Habe ich das Auto abgeschlossen? Ist der Herd jetzt wirklich aus? Wir alle kennen diese Gedanken im Alltag. Bei einer Zwangsstörung steigert sich die Unsicherheit so weit, dass sie irgendwann das Leben der Betroffenen bestimmt. Die Entwicklung von normalem Verhalten zur psychischen Störung passiert oft schleichend und manche leben jahrelang mit der Störung, bevor sie sich in Therapie begeben. Hinzu kommt, dass es einige hartnäckige Gerüchte über Zwangsstörungen gibt. Wir räumen mit den gängigen Mythen auf und zeigen, was Betroffene gegen die Zwänge tun können.

Was sind Zwangsstörungen?

Eine Zwangserkrankung ist eine psychische Störung, die sich in Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen äußert. Von Zwangsgedanken Betroffene haben den inneren Druck, bestimmte Dinge zu denken. Obwohl sie diese Gedanken zugleich als sinnlos und störend empfinden, können sie nicht anders, als sie immer wieder zu denken.

Arten von Zwangsgedanken (Obsessionen)

Befürchtungen, dass einem geliebten Menschen etwas zustoßen könnte Zweifel darüber, etwas richtig verstanden oder richtig gemacht zu haben Aggressive Gedanken wie die Vorstellung, jemandem (sexuelle) Gewalt zuzufügen zwanghaftes Grübeln ohne zu einer Lösung zu kommen Zählzwang von Dingen, die im Alltag auftauchen (z.B. die Buchstaben in Wörtern)

Von Zwangshandlungen sprechen wir, wenn Betroffene den wiederholten Drang verspüren, bestimmte Dinge zu tun. Wehren sie sich gegen den Zwang, erleben sie starke Angst und Anspannung. Führen sie die Handlung aus, fällt die Anspannung für kurze Zeit ab – das motiviert, die Handlung wieder und wieder auszuführen. So kann sich die Störung nach und nach auf viele Lebensbereiche ausweiten und den Alltag der Betroffenen massiv einschränken.

Arten von Zwangshandlungen (Kompulsionen)

Kontrollzwang: mehrmals prüfen, ob z.B. die Herdplatten aus, alle Türen und Fenster geschlossen, alle wichtigen Papiere an ihrem Platz sind Waschzwang: der Zwang, sich ständig die Hände zu waschen (z.B. aus Angst vor Krankheitserregern) Ordnungszwang: ein unbehagliches Gefühl, wenn Gegenstände nicht symmetrisch oder nach anderen festen Prinzipien angeordnet sind (z.B. Bücher zurechtrücken) Berührzwang: bestimmte Dinge anfassen (z.B. jede Straßenlaterne) oder Berührungen in jedem Fall vermeiden (z.B. Türklinken) Sammelzwang: Dinge ansammeln, aus Angst, versehentlich etwas Wichtiges wegzuwerfen

Mythen über Zwangsstörungen

„Man merkt, wenn jemand eine Zwangserkrankung hat.”

Manche Zwangsrituale lassen sich nach Außen hin kaum verbergen: Etwa wenn sich Betroffene 100-mal am Tag die Hände waschen oder zu spät zur Arbeit kommen, weil ihr Kontrollzwang sie an die Wohnung fesselt. Es gibt extreme Fälle, in denen Betroffene das Haus nicht mehr verlassen können und Beruf, Freunde und Familie vernachlässigen, weil sie den ganzen Tag mit den Zwängen beschäftigt sind. Oft hat das soziale Umfeld keine Ahnung oder kein Verständnis dafür.

Fakt ist: __ Wer mit Zwangsgedanken kämpft, tut das meist unbemerkt.__ Das bedeutet aber nicht, dass der Leidensdruck bei zwanghaftem Denken geringer ist. Das größte Problem ist, dass Betroffene ihre Erkrankung oft verheimlichen – und die Tatsache, dass sich Zwangsstörungen aus eigener Kraft kaum bewältigen lassen.

„Stress ist die Ursache für Zwangsstörungen.”

Zwangsgedanken und Zwangshandlungen treten oft genau dann auf, wenn Betroffene unter Stress stehen – weil sie die Impulse dann am wenigsten kontrollieren können. Das Zwangsritual dient mitunter als magische Handlung, die die Stresssymptome für kurze Zeit abmildern kann. Das führt bei Nicht-Betroffenen oft zu der Vermutung, dass Stress die Ursache für die Erkrankung sein muss.

Fakt ist: Stress kann die Symptome einer Zwangsstörung verstärken – aber die Ursachen liegen woanders. Bei der Entwicklung der Störung spielen verschiedene Faktoren wie genetische Veranlagung und Störungen im Hirnstoffwechsel zusammen. So kann das Erkrankungsrisiko höher sein, wenn ein Elternteil oder ein anderes Familienmitglied an einer Zwangsstörung leidet.

„Zwangsstörungen sind nicht behandelbar.”

Menschen, die unter Zwangsstörungen leiden, schämen sich oft dafür. Manche sind überzeugt, dass sie sowieso nichts dagegen tun können – ein Trugschluss, der die störenden Gedanken leider nur noch bedrohlicher erscheinen lässt.

Fakt ist: __ Zwangsstörungen lassen sich gut behandeln.__ Die Kombination aus einer medikamentösen und einer Verhaltenstherapie hat sich dabei besonders bewährt. Am wirksamsten ist es, möglichst schnell eine Therapie zu beginnen. Während der Therapie lernen Betroffene, mit den Zwangssymptomen besser umzugehen und dem Auftreten der Zwänge entgegenzuwirken.

Was tun bei Zwangsstörungen?

Die Zwangsgedanken oder -handlungen als Symptome einer psychischen Störung zu erkennen, ist ein guter Anfang. Betroffene müssen sich bewusst werden: Wenn sich störende Gedanken aufdrängen, hilft es nicht, sie zu unterdrücken. Die beste Strategie ist, sie anzunehmen und vorbeiziehen zu lassen – auch wenn es schwerfällt. Am Ende sind es nämlich nur Gedanken!

Wer unter Zwangshandlungen leidet, muss auf lange Sicht lernen, sich gegen den Zwang zu wehren. Eine gute Übung bei einem Waschzwang wäre zum Beispiel, sich zunächst in anderen Lebensbereichen Fehler zu erlauben und Unsicherheiten zu ertragen. Auch Selbsthilfegruppen helfen, mit der Störung umzugehen: Betroffene lernen, dass sie mit ihrem Problem nicht allein sind und bekommen Selbsthilfe-Tipps aus erster Hand.

Der Weg zur Therapie

Am Anfang kann es viel Überwindung kosten, sich einem anderen Menschen anzuvertrauen. Schon der Gedanke, mit einer Therapeutin oder einem Therapeut über Zwänge zu sprechen, kann einem ganz schön Angst machen. Aber hier lohnt es sich ganz besonders, über den eigenen Schatten zu springen: Denn das beste Mittel bei Zwangsstörungen bleibt die Verhaltenstherapie. In der Therapie lernen Betroffene unter Anleitung Schritt für Schritt, für sie bedrohliche Situationen auszuhalten, ohne ihren Zwängen nachzugeben. Dabei kommen unterschiedliche Methoden wie Exposition, Habituation und Entspannungstechniken zum Einsatz.

Wenn du selbst von zwanghaften Gedanken oder Handlungen betroffen bist, wende dich an eine Vertrauensperson und lass dich ärztlich beraten. Je früher, desto besser: Deine Ärztin oder dein Arzt ist eine gute erste Anlaufstelle, wenn du eine Therapie beginnen möchtest. Sie oder er klärt dich gern darüber auf, welche Behandlungsmöglichkeiten für dich in Frage kommen.

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